Diabetes mellitus: Historische Perspektiven und aktuelle Epidemiologie
Diabetes mellitus: Historische Perspektiven und aktuelle Epidemiologie
Diabetes mellitus ist eine Krankheit, die die Menschheit seit Jahrtausenden begleitet. In den letzten 50 Jahren zeigt sich allerdings ein deutlicher Anstieg der Neuerkrankungen. Deshalb wollen wir einen Blick auf die Geschichte und die Epidemiologie werfen.
Die Namensgebung: Bereits um 1550 v. Chr. beschrieben ägyptische Ärzte eine Krankheit mit ständigem Durst und häufigem Wasserlassen. Im 2. Jahrhundert n. Chr. lieferte Aretaeus von Kappadokien eine detaillierte Beschreibung und nannte sie „Diarrhoe der Harnwege“ aufgrund der Symptome übermäßiger Durst und häufiges Wasserlassen. Indische Ärzte im 5. Jahrhundert n. Chr. bemerkten den süßen Geschmack des Urins und nannten die Krankheit „madhumeha“ (Honigurin). 1674 führte der englische Arzt Thomas Willis den Begriff „mellitus“ (lateinisch für honigsüß) ein, um diese Form des Diabetes von verschiedene Formen von Polyurie (übermäßige Urinproduktion) abzugrenzen.
Die Entdeckung der Inselzellen: Paul Langerhans, ein 22-jähriger deutscher Medizinstudent, entdeckte 1869 während seiner Doktorarbeit besondere Zellhaufen in der Bauchspeicheldrüse, die später als „Langerhans-Inseln“ bekannt wurden. Ihre Funktion blieb zunächst unklar. Erst 1889 zeigten Oskar Minkowski und Joseph von Mering, dass die Entfernung der Bauchspeicheldrüse bei einem Hund zu Diabetes führte. Dies war der erste Hinweis auf die Bedeutung der Langerhans-Inseln für Diabetes.
Die Entdeckung des Insulins: Die Kanadier Frederick Banting (Chirurg) und Charles Best (Physiologe) isolierten 1921 in John Macleods (Physiologe) Labor an der Universität in Toronto Insulin aus Hunde-Bauchspeicheldrüsen. Im weiteren Verlauf gewannen sie das Insulin aus Rindern. James Collip (Biochemiker) verbesserte die Aufreinigung. 1922 wurde erstmals ein Diabetiker erfolgreich mit gereinigtem Insulin aus Rindern behandelt, was die vormals tödliche Krankheit behandelbar machte.
Zwei Gesichter einer Krankheit: Typ-1 und Typ 2-Diabetes
In den 1930er Jahren machten Ärzte eine wichtige Beobachtung: Nicht alle Diabetiker reagierten gleich auf Insulin. Dies führte zur Unterscheidung zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes:
• Typ-1-Diabetes tritt meist in jungen Jahren auf. Hier zerstört das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen in der
Bauchspeicheldrüse. Betroffene benötigen lebenslang Insulin.
• Typ-2-Diabetes entwickelt sich oft im Erwachsenenalter. Hier produziert der Körper zwar noch Insulin, aber die Zellen reagieren nicht
mehr ausreichend darauf. Dieser Typ hängt oft mit Lebensstilfaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel zusammen.

Die Diabetesepidemie: Ein modernes Phänomen
Während Diabetes früher eine seltene Krankheit war, hat sich das Bild in den letzten Jahrzehnten dramatisch gewandelt. Besonders Typ-2-Diabetes hat sich zu einer globalen Epidemie entwickelt. Die Diabetes International Federation schätzt, dass heute etwa 600 Millionen Menschen weltweit mit Diabetes leben - eine Zahl, die sich seit 1980 versechsfacht hat. Diese Entwicklung spiegelt die tiefgreifenden Veränderungen in unserer Lebensweise wider: Verzehr von vorwiegend verarbeiteten Lebensmittel mit hohem Zuckeranteil, hoher Alkoholkonsum, wenig Bewegung und daraus resultierende steigende Übergewichtsraten tragen zur Zunahme von Typ-2-Diabetes bei. Gleichzeitig steigt aber auch die Zahl der Typ-1-Diabetiker - aus Gründen, die noch nicht vollständig verstanden sind.

Die Zukunft: Trotz moderner Behandlungsmethoden hat sich Diabetes, insbesondere Typ 2, zu einer globalen Epidemie entwickelt. Alarmierend ist, dass diese Krankheit oft durch einfache Lebensstiländerungen vermeidbar wäre. Überernährung, Bewegungsmangel und ungesunde Gewohnheiten sind Hauptursachen. Jeder Einzelne spielt eine entscheidende Rolle in der Prävention. Ein bewusster Lebensstil mit gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung kann das Risiko für Typ-2-Diabetes drastisch senken. Medizinische Innovationen helfen, ersetzen aber nicht die Notwendigkeit eines gesunden Lebensstils. Der beste Schutz vor Diabetes liegt nicht nur in der Behandlung, sondern vor allem in der Prävention. Es ist Zeit, Verantwortung für unsere Gesundheit zu übernehmen.