Christiane Nüsslein-Volhard - Forscherin mit Leidenschaft
„Ich möchte die Natur verstehen, ich möchte wissen, wie es dazu gekommen ist, dass etwas so ist, und zwar genau und nachprüfbar und nicht geglaubt oder kulturell eingeprägt.“

Christiane Nüsslein-Volhard ist die erste und einzige deutsche Medizin-Nobelpreisträgerin. Sie wurde am 20. Oktober 1942 in Magdeburg geboren und ihr war schon als Kind klar, dass sie Biologin werden wollte. Von 1962 bis 1968 studierte sie Biologie und Biochemie und erlangte 1973 ihren Doktortitel in Genetik (Spezifische Protein-Nukleinsäure-Wechselwirkungen). Als Postdoc arbeitete Christiane Nüsslein-Volhard, mit zwei Forschungsstipendien ausgestattet, zunächst im Biozentrum Basel (Molekular- und Entwicklungsbiologie) und dann in Freiburg i.Br. (Insektenembryologie). 1978 wurde sie erste Direktorin des neugegründeten Europäischen Molekularbiologischen Laboratorium (EMBL) in Heidelberg und legte hier den Grundstein für ihre spätere Auszeichnung mit dem Nobelpreis, den sie zusammen mit Ihren Kollegen Lewis und Wieschaus erhielt.
Anfang der 1970er Jahre waren die Mechanismen der Ontogenese, also der Vorgänge, die der Entwicklung eines Einzelorganismus von der Zelle zum komplexen Organismus zugrundeliegen, noch nicht entschlüsselt. Mit der Fruchtfliege Drosophila fand Nüsslein-Volhard den optimalen Modellorganismus: Schnelle Entwicklung (14 Tage vom Ei zum adulten Tier) und einfach zu induzierende Mutationen gepaart mit einer simplen Analysemethode (phänotypisches Screening der Larven). Aufbauend auf den Arbeiten von Edward Lewis entdeckten und beschrieben sie und ihr Kollege Eric F. Wieschaus zahlreiche Gene, die die Entwicklung von Drosophila steuern. Es wurde auch nachgewiesen, dass bereits in der frühesten Embryogenese ein Initialprotein über ein Konzentrationsgefälle die Längsachse des Embryos festlegt. Das Initialprotein dient dabei auch als Schlüsselinitiator für das Anschalten einer Genkaskade (Dominoeffekt), die die weitere Embryonalentwicklung steuert.

1985 wurde Nüsslein-Volhard Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie (bis 2015) und war damit die zweite Frau unter 200 Männern. Seit 1992 arbeitet sie hauptsächlich mit dem Zebrafisch als neuem Modellsystem für die Entwicklungsbiologie von Wirbeltieren. Christiane Nüsslein-Volhard hat sich in einem überwiegend männlich besetzten Wissenschaftsfeld auch gegen Widerstände durchgesetzt. Deshalb gründete sie 2004 die CNV-Stiftung zur Förderung und finanziellen Unterstützung von Frauen mit Kindern während ihrer Doktorarbeit. Neben der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit war Nüsslein-Volhard unter anderem Mitglied des nationalen Ethikrates (2002 – 2007). Aufgrund ihrer positiven Einstellung zur Gentechnik und der Befürwortung der Stammzellenforschung schlägt Nüsslein-Volhard aber durchaus auch Gegenwind entgegen.
2021 sagte sie in einem Interview, dass sie immer noch täglich ins Labor gehe. Solange sie laufen könne, werde sie dies auch weiterhin tun. „Es macht wirklich Spaß etwas Neues zu entdecken. Die Neugier zu befriedigen ist wirklich etwas Schönes“