HOX Life Science

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Eine Postkarte aus dem Urlaub – die Geschichte von Albert Boehringer

von Dr. Morna Gruber und Dr. Marta Lee

Die Geschichte von Albert Boehringer begann im Jahr 1861, als er als Nachkomme einer Unternehmerfamilie das Licht der Welt erblickte. Sein Großvater Christian Friedrich Boehringer hatte gemeinsam mit Christian Gotthold Engelmann im Jahr 1817 die „Drogen- und Materialwarenhandlung Engelmann & Boehringer“ in Stuttgart gegründet. 1859 schieden die Erben Engelsmann aus dem Unternehmen aus, Alberts Vater Christoph trat in das Unternehmen ein, das fortan unter dem Namen chemischen Fabrik C. F. Boehringer & Söhne firmierte und 1871 nach Mannheim verlegt wurde. 1882 übernahm Alberts Bruder Ernst die Firmengeschäfte vom Vater.

Albert trat nicht in das Unternehmen ein. Nach einem Chemiestudium in München erwarb der 24-jährige Albert im Jahr 1885 eine kleine Weinsteinfabrik in Nieder-Ingelheim, die er zu Ehren seines Vaters im Jahr 1893 in C.H. Boehringer Sohn umbenannte.

Arbeiter in historischer Fabrik

Das Unternehmen hatte 28 Mitarbeitenden und verkaufte die produzierten Weinsteinprodukte an Apotheken und Gerber. Albert wollte das Unternehmen weiterentwickeln und 1893 entstand bei dem Versuch, Zitronensäure herzustellen, durch unbeabsichtigte Gärung Milchsäure. Diesen Zufall nutzte Albert als Chance und entwickelte das Verfahren zur biotechnologischen Herstellung von Milchsäure im Industriemaßstab weiter. Die daraus resultierende erfolgreiche Produktion und der Verkauf von Milchsäure und darauf aufbauenden Produkten waren der Beginn einer eindrucksvollen Wachstumsgeschichte. 1895 meldet Albert Boehringer das erste Unternehmenspatent für „ein neues Verfahren zur Herstellung von Backpulver auf Milchsäurebasis“ an. C.H. Boehringer Sohn wurde so zum Pionier der biotechnologischen Herstellung.

In seinem Bestreben, das Unternehmen weiter zu diversifizieren, beginnt er im Jahr 1905 mit der Extraktion und dem Verkauf von Alkaloiden, wie Morphin, Kokain und Codein. Die Arbeit mit den Alkaloiden kommt 1912 mit der Entwicklung von Laudanon® - dem ersten pharmazeutischen Medikament von Boehringer- zu einem Durchbruch. Es handelt sich um ein Schmerzmittel bestehend aus sechs Alkaloiden des Opiums. Als Boehringer dies 1915 auf den Markt bringt, vollzieht sich damit gleichzeitig auch die Transformation vom rein chemischen Unternehmen zu einem chemisch-pharmazeutischen Unternehmen.

Alberts Zielstrebigkeit und Offenheit für Neues waren richtungsweisend für die wissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Weiterentwicklung des Unternehmens und sein Verantwortungsgefühl für seine Mitarbeitenden machten ihn zu einem fürsorglichen Chef und Pionier für Sozialleistungen. Und so…

…gründet er 1902 eine Betriebskrankenkasse für Mitarbeitende | …baute ab 1903 Werkswohnungen |…gründete 1905 einen Unterstützungsfonds für Mitarbeitende im Ruhestand |…gründete 1909 eine Stiftung zur Unterstützung gebrechlicher Mitarbeitender |... führte ab 1912 für alle Mitarbeitenden ab einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren eine Betriebsrente ein.

Ab 1910 erhielten seine Mitarbeitenden 14 Tage bezahlten Jahresurlaub und einen Fahrtkostenzuschuss. Eine besonders schöne Anekdote ist die folgende: Um sicher zu gehen, dass sich seine Mitarbeitenden im Urlaub auch gut erholen, besteht er darauf, eine Postkarte aus dem Urlaubsort zugeschickt zu bekommen.

1917 erfolgte mit der Gründung einer wissenschaftlichen Abteilung der nächste Meilenstein. Heinrich Wieland, Chemiker und Cousin von Boehringers Ehefrau, leitete diese und forschte u.a. an der Gallensäure und deren Derivaten. 1927 erhielt Heinrich Wieland für seine „Untersuchungen über die Zusammensetzung der Gallensäure und verwandter Verbindungen“ den Nobelpreis für Chemie.

Um mit seinem stark wachsenden Unternehmen den nächsten Schritt zu gehen, wurden ab 1924 Grundstoffe wie Koffein, Morphin und Codein im Zweigwerk in Hamburg-Moorfleet produziert. Außerdem übernahm er 1928 die Dr. Karl Thomä Cie. bei Stuttgart, aus der 1943 der Standort Biberach an der Riß wurde, der bis heute der weltweit größte Forschungsstandort ist.

Abbildung von Albert Boehringer

Albert Boehringer starb 1939 im Alter von 77Jahren und überließ die Leitung des Unternehmens seinen Söhnen Albert und Ernst Boehringer, sowie seinem Schwiegersohn Julius Liebrecht.

Auch heute noch ist die Boehringer Ingelheim AG & Co. KG in Familienbesitz. Das Unternehmen beschäftigt rund 53.000 Mitarbeitende weltweit und gehört zu den größten forschenden Pharmaunternehmen in Deutschland.