HOX Life Science

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Die Wertschöpfungskette der Medikamentenentwicklung

von Dr. Morna Gruber

Die Entwicklung eines neuen Medikaments ist ein zeitaufwändiger und kostenintensiver Prozess. Von der ersten Idee bis zur Markteinführung vergehen im Durchschnitt 12,5 Jahre, und die Kosten belaufen sich auf 1200-1800 Millionen USD. Betrachten wir die Phasen der Wertschöpfungskette.

Wertschöpfungskette der Medikamentenentwicklung

Forschung und Entwicklung (F&E):

Die Medikamentenentwicklung beginnt mit der Targetidentifizierung, bei der Wissenschaftler*innen krankheitsrelevante Strukturen im Körper untersuchen. Nach Identifizierung eines geeigneten Targets wird nach interagierenden Substanzen gescreent, die den Krankheitsverlauf beeinflussen können. Diese potenziellen Wirkstoffkandidaten, zunächst als „Hits“ bezeichnet, werden in der Hit-to-Lead-Phase zu Leitstrukturen (Leads) optimiert. In der Leadoptimierung werden diese Kandidaten weiter verfeinert, um Wirksamkeit zu steigern und Nebenwirkungen zu reduzieren.

Präklinische Studien:

Bevor ein Wirkstoffkandidat am Menschen getestet werden kann, muss er präklinische Studien durchlaufen. Diese Studien umfassen: In-vitro-Tests: Untersuchungen an Zellkulturen, um die grundlegende Wirksamkeit und mögliche Toxizität zu bewerten. In-vivo-Tests: Tierversuche, die weitere Erkenntnisse über Wirksamkeit, Sicherheit und Pharmakokinetik liefern.

Klinische Studien: Die klinischen Studien sind in drei Phasen unterteilt: Phase I: Erste Tests an einer kleinen Gruppe gesunder Probanden, um die Sicherheit und Verträglichkeit zu untersuchen. Phase II: Untersuchungen an einer Gruppe von Patienten (ca. 10-100), um die Wirksamkeit und optimale Dosierung zu ermitteln. Phase III: Großangelegte Studien mit tausenden Patienten, um die Wirksamkeit und Sicherheit im Vergleich zu bestehenden Behandlungen zu bestätigen.

Zulassung: Nach erfolgreichem Abschluss der klinischen Studien wird ein umfangreiches Dossier bei den Zulassungsbehörden (z.B. FDA in den USA, EMA in Europa) eingereicht. Diese prüfen die Daten und entscheiden über die Marktzulassung des Medikaments.

Produktion und Qualitätskontrolle: Parallel zur klinischen Entwicklung wird der Produktionsprozess optimiert und skaliert. Die Herstellung muss den strengen GMP-Richtlinien (Good Manufacturing Practice) entsprechen, um höchste Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten.

Markteinführung und Vertrieb: Nach der Zulassung beginnt die Vermarktung des Medikaments. Hier spielen Marketing & Vertrieb sowie Medical Affairs eine entscheidende Rolle: Marketing & Vertrieb: Zuständig für den wirtschaftlichen Verkaufserfolg und die Vermarktungs- und Verkaufsstrategie. Medical Affairs: Verantwortlich für die medizinisch-wissenschaftliche Kommunikation mit Ärzten, Wissenschaftlern und Patientenorganisationen.

Pharmakovigilanz und Lifecycle-Management: Auch nach der Markteinführung wird das Medikament weiter beobachtet: Pharmakovigilanz: Überwachung von Nebenwirkungen und Sicherheitsprofil im realen Einsatz. Lifecycle-Management: Entwicklung neuer Formulierungen oder Indikationen, um den Produktlebenszyklus zu verlängern. In diesem Zusammenhang spielen klinische Studien der Phase 4 eine wichtige Rolle, in denen Langzeitbeobachtung des Medikaments in einer größeren und diverseren Patientenpopulation durchgeführt werden.

Herausforderungen und Ausblick: Die Medikamentenentwicklung steht vor enormen Herausforderungen. Neben hohen Kosten und langen Entwicklungszeiten müssen Pharmaunternehmen mit einer hohen Ausfallrate rechnen. Nur etwa 12% der Wirkstoffe, die in die klinische Entwicklung gehen, erreichen die Marktzulassung. Gerade diese Komplexität und der Innovationsdruck machen die Branche zu einem attraktiven Arbeitsumfeld für ambitionierte Naturwissenschaftler*innen, die trotz aller Herausforderungen zum Erreichen des Ziels der Pharmaindustrie beitragen wollen: innovative Medikamente zu entwickeln, die das Leben von Patienten verbessern und bisher unheilbare Krankheiten behandelbar machen.