Von der angeblichen Quacksalberin zur erfolgreichen Unternehmerin
Die Rolle der Frau in der Gesellschaft hat sich im Laufe der Jahrhunderte zum Glück stark gewandelt. Während Frauen mittlerweile in Führungspositionen und in Gründerrollen zu finden sind, war das in früheren Zeiten kaum der Fall. Besonders in Branchen wie der Pharmaindustrie waren männliche Gründer die Norm. Wie wir Naturwissenschaftler*innen aber wissen, bestätigen Ausnahmen die Regel: und solch eine Ausnahme ist die Ordensfrau Maria Clementine Martin.

Maria Clementine Martin wurde unter dem Namen Wilhelmine geboren. Im Alter von 16 Jahren trat sie in das Kloster der Annuntiatinnen in Coesfeld ein und nahm den Namen Maria Clementine an, den sie bis zum Ende ihres Lebens trug. Nach elf Jahren im Kloster zog sie mit ihren Mitschwestern in die heutigen Niederlande, als Pläne zur Erweiterung des Klosters Coesfeld zur Residenz in die Wege geleitet wurden. Bis 1811 gehörte sie verschiedenen Klöstern an, bis die Säkularisierung zur Auflösung der Klöster führte. Daraufhin kehrte sie in ihren Geburtsort Brüssel zurück und ließ sich dann in einer nahegelegenen Kleinstadt nieder.
Ihre Spur verläuft sich immer wieder und zwischen 1811 und 1821 ist wenig über ihr Leben bekannt. Man weiß aber, dass sie nach der Schlacht bei Waterloo 1815 in Lazaretten arbeitete und verwundete preußische Soldaten versorgte. Als Anerkennung für ihren Dienst erhielt sie 1821 von König Friedrich Wilhelm III. eine Leibrente. Im gleichen Jahr wurde gegen sie ein Verfahren wegen Quacksalberei eröffnet, da sie unerlaubterweise Fisteln- und Krebsschäden behandelt hatte. Zur Behandlung nahm sie ein „Arcanum“, welches sie angeblich in einem Kloster erlernt habe herzustellen. Die preußischen Behörden erteilten ihr ein striktes Praxisverbot.
1825 zog Maria von Münster nach Köln und begann in der dortigen Zeitung, ihr eigenes Eau de Cologne zu bewerben. Im Herbst 1826 startete sie die Produktion des "echten Karmelitergeistes". Zum Zeitpunkt der Gründung ihrer Firma "Maria Clementine Martin Klosterfrau" im Jahr 1826 waren das Rezept und der Herstellungsprozess von "Kölnisch-Wasser" und "Melissengeist" allerdings bereits bekannt, sodass dessen Produktion eigentlich nichts Neues war. Da das Recht zur Herstellung und zum Verkauf von Arzneimitteln den Apotheken vorbehalten war, konnte Maria Clementine ihre Produkte lediglich als Parfüm verkaufen.

Am 28.11.1829 bekam sie, in Anlehnung an ihre Verdienste in Waterloo, das Privileg, ihre Waren mit dem Preußenadler zu zieren und ab 1831 hinterlegte sie ihr Fabrikzeichen, zu dem auch das Ordenszeichen der Karmeliter gehörte, beim Rat der Gewerbeverständigen in Köln. Der heutige Markenschutz geht auf diesen Rat der Gewerbeverständigen zurück.
Ein Großteil des kommerziellen Erfolgs von Maria lag vermutlich darin, dass es - im Gegensatz zum Kölnisch-Wasser - kaum Konkurrenten gab, die Melissengeist verkauften. Die einzige Konkurrentin auf diesem Gebiet war Therese Sturm, die den aus dem Königreich Bayern importierten „Regensburger Karmelitergeist“ verkaufte. Nonne Martin klagte Therese öffentlich wegen illegalen Verkaufs an und argumentierte, dass diese ihren „Karmelitergeist“ auf dem Beipackzettel unerlaubterweise als Arzneimittel bewarb. Sie versuchte beim preußischen König das Alleinvertriebsrecht für Melissengeist zu erhalten - jedoch ohne Erfolg.
Bevor sie starb, setzte Maria Clementine ihren Assistenten Peter Gustav Schaben als Nachfolger ein. Das Unternehmen verkaufte aber weiter unter dem Namen "Maria Clementine Martin Klosterfrau". In den 1920er Jahren meldete Schabens Enkel, Wilhelm, die Bildmarke mit den drei bis heute bekannten Nonnen an. Heute firmiert das Unternehmen als "Kloster-Frau HealthCare Group" und verzeichnete 2021 einen Jahresumsatz von 13,4 Millionen Euro. Maria Clementine Martin bleibt somit eine bemerkenswerte Ausnahme in der Geschichte der Pharmaindustrie und ein Beispiel dafür, dass Ausnahmen die Regel bestätigen können.
Quellen: