HOX Life Science

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HIV und die Geschichte der AIDS-Medikamente

von Dr. Morna Gruber

Beim HI-Virus (Human Immunodeficiency Virus) handelt es sich um eine Zoonose, die vermutlich zwischen 1902 und 1921 in West-Zentralafrika von Affen (vor allem Schimpansen, aber auch Gorillas) auf den Menschen übersprang. Es wird vermutet, dass der Erreger bei mehreren Gelegenheiten den Sprung über die Artgrenze geschafft hat, was die verschiedenen HIV-Stämme erklärt. Im Gegensatz zu vielen anderen Zoonosen, die regelmäßig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden, hat sich HIV nach dem ursprünglichen Übergang auf den Menschen zu einem hauptsächlich von Mensch zu Mensch übertragenen Virus entwickelt, was zu seiner starken globalen Verbreitung beigetragen hat. Die älteste bekannte menschliche HIV-positive Blutprobe stammt aus dem Jahr 1959 aus dem Gebiet der heutigen Demokratische Republik Kongo. Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi vom Institut Pasteur in Paris identifizierten 1983 das HI-Virus als Auslöser von AIDS, wofür sie 2008 den Nobelpreis für Medizin erhielten.

HIV Infografik

AIDS steht für „Acquired Immune Deficiency Syndrome”, was auf Deutsch „erworbenes Immunschwächesyndrom” bedeutet. AIDS ist das Endstadium einer HIV-Infektion, bei dem das Immunsystem durch die Zerstörung von CD4+ T-Lymphozyten so stark geschwächt ist, dass opportunistische Infektionen oder bestimmte Tumoren auftreten. Es handelt sich also um einen Symptomkomplex, der durch die fortschreitende Schädigung des Immunsystems durch das HI-Virus entsteht.

1985 wies der japanische Virologe Hiroaki Mitsuya die Wirksamkeit von Azidothymidin (AZT) gegen das HI-Virus nach. AZT, ursprünglich von Burroughs-Wellcome (heute GlaxoSmithKline) als Krebsmedikament entwickelt, hemmt die virale Reverse-Transkriptase und verhindert so die Vermehrung des Virus. Im März 1987 erhielt AZT als erstes HIV-Medikament die Zulassung in den USA. In den folgenden Jahren wurden weitere antiretrovirale Medikamente entwickelt:

1989: Didanosin (ddI) von Bristol-Myers Squibb, ein weiterer nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Hemmer, der die virale DNA-Synthese unterbricht.

1992: Zalcitabin (ddC) von Hoffmann-La Roche, ebenfalls ein NRTI, der die Virusreplikation hemmt.

1995: Saquinavir von Roche, der erste Protease-Hemmer, der die Spaltung viraler Proteine verhindert.

1996: Indinavir von Merck und Ritonavir von Abbott Laboratories, weitere Protease-Hemmer mit ähnlicher Wirkweise.

1996: Nevirapin von Boehringer Ingelheim, der erste nicht-nukleosidale Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI), der die Reverse Transkriptase auf andere Weise als NRTIs blockiert.

1996 wurde die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) eingeführt, die mindestens drei Medikamente aus zwei Wirkstoffklassen kombiniert. Typischerweise umfasste HAART zwei Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTIs) plus einen Proteasehemmer oder einen Nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI). Anfangs wurden existierende Einzelmedikamente kombiniert. Später entwickelte man fixe Kombinationspräparate mit mehreren Wirkstoffen in einer Tablette, um die Einnahme zu vereinfachen und die Therapietreue zu verbessern. In den 2000er Jahren schritt die Entwicklung neuer Wirkstoffklassen weiter voran:

2003: Enfurvirtid von Roche und Trimeris, der erste Fusions-Hemmer, der das Eindringen des Virus in die Zelle verhindert.

2007: Maraviroc von Pfizer, der erste Entry-Hemmer, der den CCR5-Rezeptor blockiert, und Raltegravir von Merck, der erste Integrase-Hemmer, der die Integration viraler DNA in die Wirtszelle verhindert.

2012 genehmigte die FDA Truvada von Gilead Sciences, eine Kombination aus Tenofovir und Emtricitabin, zur HIV-Prävention. Diese Medikamente verhindern die Vermehrung des Virus im Körper, falls eine Exposition stattfindet.

Die Entwicklung der AIDS-Medikamente hat die Lebenserwartung HIV-positiver Menschen drastisch erhöht. Heute haben sie bei rechtzeitiger Diagnose eine fast normale Lebenserwartung. Trotz der Fortschritte bleiben Herausforderungen wie hohe Behandlungskosten und Nebenwirkungen bestehen. Die Forschung konzentriert sich nun auf Heilmethoden und Impfstoffe.