HOX Life Science

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Lean Management - Der Einzug fernöstlicher Philosophie in betriebswirtschaftliche (Produktions-) Prozesse

von Dr. Michael Merli und Dr. Morna Gruber

Hört man den Begriff Lean, wird oft primär an „schlanke“ Produktionsprozesse und "just in time"-Lieferungen gedacht, also an die taktgenaue Produktion von Gütern, die exakt dann zur Verfügung stehen, wenn sie benötigt werden. Diese Assoziation ist nicht falsch und stellt einen Teilaspekt von Lean Management dar, jedoch umfasst dieses Konzept mehr. Lean Management ist eine umfassende Unternehmensphilosophie, die auf zwei Grundprinzipien basiert.

Erstens steht die Kundenorientierung im Vordergrund. Alle Prozesse innerhalb eines Unternehmens sollen demzufolge am Nutzen für den Kunden ausgerichtet sein. Der Kunde steht im Zentrum. Konsequenterweise werden demzufolge Tätigkeiten, die keinen Mehrwert für den Kunden bieten, eliminiert.

Zweitens liegt der Fokus auf Prozessoptimierung und Kostensenkung. Im Vordergrund steht hier die Vermeidung von Verschwendung. Dazu müssen Prozesse harmonisiert und die eingesetzten Ressourcen möglichst wirtschaftlich eingesetzt werden.

Lean Management hat seinen Ursprung in der japanischen Philosophie des „Kaizen“. Kaizen steht für das Streben nach Veränderung oder Wandel (Kai) hin zum Besseren (Zen). In die Wirtschaftspraxis wurde dieses Prinzip von Toyota in den 1950ern mit der Entwicklung des „Toyota Produktionssystems“ (TPS) eingeführt. Ziel war es, Verschwendung innerhalb der Produktion beständig zu reduzieren und so einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zu bewirken.

Kanji (Japanische Schriftzeichen) für Kai + Zen

In der heutigen Unternehmenswelt ist Lean Management nicht nur auf den Produktionsbereich beschränkt. Es bezieht alle Prozesse eines Unternehmens ein - von der Produktion über die Administration bis hin zum Management. Der Kern des Lean Managements kann durch die folgenden fünf Prinzipien beschrieben werden.

  1. Identifizierung des Werts: Zentral sind die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden. Erst wenn diese identifiziert und definiert sind, ist es möglich, ein auf Kundennutzen zugeschnittenes Produkt entwickeln und produzieren zu können. Diese Methode zeigt deutliche Übereinstimmungen mit modernen Marketingstrategien auf der Grundlage der Lehre von Philip Kotler

  2. Darstellung des Wertstroms: Unter Wertstrom versteht man sämtliche Prozesse, die zur Herstellung eines Produktes notwendig sind. Besonderes Augenmerk liegt auf effizientem Ressourceneinsatz, um unnötigen Aufwand zu vermeiden.

  3. Schaffung von Fluss: Prozesse sollten so optimiert werden, dass Unterbrechungen vermieden werden. Dies gilt besonders für die Produktion, die idealerweise auch ohne Zwischen- oder Endlagerung auskommen sollte.

  4. Ermöglichung von „Pull“: Im Pull-System wird die Produktion von Gütern erst bei tatsächlicher Nachfrage ausgelöst. Der Kunde fungiert hierbei als Auslöser und "zieht" (pull) den Prozess quasi an sich. Dies vermeidet Überproduktion und hohe Lagerbestände.

  5. Streben nach Perfektion: Dieses Prinzip ist sicherlich am leichtesten nachvollziehbar. Naturgemäß ist und bleibt das „Streben nach Perfektion“ eine Daueraufgabe, da Perfektion in einem komplexen System kaum erreichbar ist. Deshalb kann es auch nicht primär darum gehen, das ultimative Ziel des perfekten Zustandes tatsächlich zu erreichen, sondern sich kontinuierlich zu verbessern und sich so dem perfekten Zustand zumindest anzunähern. Damit schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei der der Wortbedeutung für Kaizen gelandet. Es muss bei der Anwendung von Kaizen also nicht immer um den „ganz großen Wurf“ gehen, sondern das Prinzip kann auf jeder Ebene gelebt werden und man kann bei sich ganz persönlich mit der optimalen Organisation des persönlichen Arbeitsplatzes anfangen.

Lean Management Phasen

Take-Home-Message: Lean Management ist als Unternehmensphilosophie zu betrachten. Jeder einzelne Mitarbeiter und jede einzelne Mitarbeiterin kann in seinem und ihrem unmittelbaren Arbeitsumfeld nach Verbesserungen ("Perfektion") streben. Lean Management ist somit eine Unternehmensmentalität, die tief in allen Ebenen verankert ist und bei der jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin einen Teil der Gesamtverantwortung trägt.

  • Lit: Frank Bertagnolli: „Lean Management – Einführung und Vertiefung in die japanische Management-Philosophie“, Springer Gabler, 2. Auflage

  • Institut für integrierte Produktion Hannover, www.iph-hannover.de

  • Kotler, Armstrong, Harris, Piercy: „Grundlagen des Marketing“, Pearson, 7., aktualisierte Auflage