HOX Life Science

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Eine Genschere revolutioniert die Biotechnologie

von Dr. Morna Gruber

Eine der neuesten Methoden der Molekulargenetik ist die Nutzung des CRISPR/Cas9 Systems, einer programmierbaren enzymatischen Genschere aus dem Immunsystem von Bakterien. Die heute vielfach angewendete Methode ist jedoch nicht dem Geistesblitz einer einzelnen Person zu verdanken, sondern das Ergebnis der Zusammenarbeit der beiden Wissenschaftlerinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, die sich 2011 zufällig in einem Café in Puerto Rico begegneten, wo beide eine Konferenz besuchten. Innerhalb der ersten fünf Jahre nach Veröffentlichung hat sich die Methode zu einer Standardmethode der Biotechnologie entwickelt und wurde allein in diesen fünf Jahren schon in über 2.500 wissenschaftlichen Arbeiten publiziert.

Abbildung Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna

CRISPR steht für „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“ und bezeichnet einen Abschnitt im Erbgut von Bakterien. Cas9 ist eine sogenannte Endonuklease, also ein Enzym, das DNA schneidet. CRISPR-Cas9 ist also eigentlich Teil des adaptiven Immunsystems von Bakterien und dient diesen zur Abwehr viraler Infektionen. In der Medizin, Biotechnologie und Landwirtschaft gilt die CRISPR-Cas9-Technologie als Revolution. Sie ist ein leistungsfähiges und vielseitiges Werkzeug, um jede beliebige Gensequenz in den Zellen lebender Organismen effizient und vor allem zielgerichtet zu verändern. Das System wurde dann zu einem präzisen Genwerkzeug weiterentwickelt, das fehlerhafte DNA korrigieren kann, ähnlich der Korrektur eines Tippfehlers in einem Dokument.

Abbildung Genschere

Wie genau das CRISPR-Cas9-System die DNA gezielt ansteuert, sowie ein Leitfaden, wie es als vielseitiges genetisches Werkzeug zur Veränderung des Erbguts verwendet werden kann, haben die beiden Wissenschaftlerinnen in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht: „A programmable dual-RNA-guided DNA endonuclease in adaptive bacterial immunity“ (Science, Vol. 337, No. 6096, pp. 816-821, 2012).

Nach dem bahnbrechenden Erfolg der Methode wurde den beiden Wissenschaftlerinnen 2020 der Nobelpreis in Chemie verliehen. Charpentier ist seit 2018 wissenschaftliche und geschäftsführende Direktorin der Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene. Doudna forscht und lehrt als Professorin an der University of California, Berkeley.