To be(come) or not to be(come) a Bachelor, Master or PhD? – That is the question
Viele Studierende der Life-Science-Fächer reflektieren immer und immer wieder über die Frage, welcher Studienabschluss das beste Fundament für ihre zukünftige Berufslaufbahn darstellt. Manch einer fühlt sich dabei fast schon so zerissen wie Shakespeares Hamlet, den sein innerer Konflikt zwischen dem Wunsch, den Tod seines Vaters zu rächen und der Hinterfragung seiner selbst in die Handlungsunfähigkeit treibt. Wir wollen heute die verschiedenen Abschlüsse miteinander vergleichen und ein buntes Bild der Möglichkeiten verschiedener Karrierechancen aufzeigen. Es besteht nämlich kein Grund zur Handlungsunfähigkeit aus Panik vor der falschen Entscheidung, denn es führen nicht nur viele Wege nach Rom, sondern auch viele Studienoptionen zum Traumjob.
Ich bin 45 Jahre alt, promovierte Biologin, geschäftsführende Gesellschafterin eines Unternehmens und Mutter zweier erwachsener Söhne im Alter von 24 und 22 Jahren. Oft sagen Gesprächspartner zu mir, wenn sie diese Eckdaten hören: „Wow, wie hast Du das alles denn nur geschafft? Du hast bestimmt immer alles exakt durchgeplant, sonst hätte das doch niemals funktioniert.“
Ehrlich gesagt, habe ich nichts exakt durchgeplant - auch diese frühe Mutterschaft war mir eher so passiert -, sondern in erster Linie bin ich meiner intrinsischen Motivation gefolgt und habe die Themen, Projekte und Studieninhalte verfolgt, die mir wichtig waren und für die ich mich brennend interessiert habe. Allerdings hatte ich im Alter von 23 schon 2 Kinder, war alleinerziehende Studentin mit einem 16 h/Woche Nebenjob, um mich und meine Kinder zu ernähren. Das war also ein volles Programm mit großer menschlicher und monetärer Verantwortung, so dass es ganz ohne vorausschauende Planung natürlich auch nicht ging.
Was denn nun: Einfach den Interessen folgen oder vorausschauende Planung?
So wie die Informationsübertragung im Gehirn durch einen stetigen Wechsel von chemischer und elektrischer Informationsübertragung stattfindet, gestalte ich meinen Lebensweg mit einer für mich passenden Mischung aus Impuls und Planung. Dem impulsiven Teil lasse ich freien Lauf, wenn es um die Festlegung der Themen, Interessensgebiete und (Lebens-)Projekte geht. Der planerische Teil übernimmt die Führung, wenn dann die erfolgreiche Umsetzung sichergestellt werden muss.
Auch bei Lebensentscheidungen, die existenziell relevant sind - wie z.B. die Fragen welcher Job in welcher Stadt oder Gründe ich ein Unternehmen oder nicht? - agiere ich sowohl impulsiv also auch planerisch. So auch bezüglich der Entscheidung, was mache ich nach der Promotion: Da ich meine Kinder finanziell versorgen musste, war klar, dass ich direkt im Anschluss an das Auslaufen meines Promotionsvertrages, eine Anschlussstelle haben musste. Denn der Arbeitslosengeldanspruch, den man mit einer 50%-Doktorandenstelle erwirbt, ist etwas zu gering, um davon mit zwei Kindern das Leben souverän zu bestreiten. Also hat mein vorausschauender, planerischer Teil dafür gesorgt, dass ich frühzeitig angefangen habe mich zu bewerben. Mein Impuls durfte aber bestimmen, welche Position. Alle in meinem Umfeld rieten mir, dass ich „endlich“ in die Industrie wechseln müsse, damit ich „endlich“ anständig verdiene, denn ich müsse an die Absicherung der Kinder denken. Ich wollte aber unbedingt noch weiter im universitären Umfeld forschen und Postdoc an einem Institut werden, das an neurodegenerativen Erkrankungen forscht, denn die Funktionsweise des Gehirns und seine Erkrankungen waren und sind das Thema, für das ich brenne. In dieser Hinsicht ließ mein Impuls nicht mit sich verhandeln, ich wäre auch mit Kind(ern) und Kegel umgezogen, um dies zu verwirklichen - obwohl meine Kinder sehr protestierten. Aber am Ende musste ich gar nicht umziehen. Ich habe eine Postdoc-Stelle am Institut für klinische Neuroanatomie bei Professor Deller in Frankfurt bekommen. Von Mainz nach Frankfurt konnte ich problemlos pendeln. Ich war überglücklich und meine Kinder auch.
Zu diesem Zeitpunkt war es mein festes Ziel, Professorin (und am liebsten auch Nobelpreisträgerin 😉) zu werden, deshalb hatte ich ja auch für eine Promotion entschieden, obwohl das mit den Kindern sowohl finanziell als auch zeitlich sehr herausfordernd war. Während der Postdoc-Zeit revidierte ich dann aber meinen Traum, den ich insgesamt 5 Jahre lang verfolgt hatte - was wiederum zeigt - dass man nicht alles antizipieren und planen kann, manches muss man erst erleben, um zu merken, ob es passt. Wenn es nicht oder nicht mehr passt, befrage ich wieder das Team aus Impuls und Planung und beginne einfach eine neue spannende Reise – die Zukunft ist nämlich offen und gestaltbar, wenn wir uns angstfrei auf sie einlassen.
Nette persönliche Anekdote – aber nun die hard facts bitte
Der ein oder andere mag jetzt vielleicht denken, schön, dass es anscheinend bei Dir ganz gut funktioniert hat, Morna, aber deine persönliche Geschichte hilft mir recht wenig für meine eigene Entscheidungsfindung und der Kommentar am Ende deiner Story ist auch echt ganz schön „cheesy“. Kann ich nachvollziehen, deshalb schauen wir uns jetzt die Stellschrauben an, an denen der planerische Teil drehen kann, um dem impulsiven Teil bei der Verwirklichung der Jobträume zu helfen.
Welche Optionen habe ich mit dem Bachelor in einem Life Science Fach?
- Erstmal den Jobeinstieg in die Pharma- und Biotechindustrie wagen und dann entscheiden, ob man in der Industrie bleibt und sich über „Training on the Job“ weiterentwickelt oder ob man doch noch weiterstudieren will. Die Einstiegsjobs für Bachelor sind meist im Bereich Labor oder Dokumentation und von dort aus kann man dann seine Laufbahn weiterentwickeln. Als Bachelor wird man dann tendenziell eher eine Fachkarriere und keine Führungskarriere einschlagen, aber da heute die Hierarchien ja flacher sind kann man da auch einiges an Gestaltungspielraum bekommen. Falls man sich nach einer ersten Industriephase doch für das Weiterstudieren entscheidet, kann man sich viel bewusster einen konkreten Masterstudiengang aussuchen, da man durch die Industrieerfahrung ein bessere Vorstellung davon hat, in welche Richtung man fachlich und laufbahnmäßig gehen will. Außerdem findet man nach dem Masterabschluss dann auch zügig eine Position in der Industrie, da man ja kein Industrieneuling mehr ist.
- Dual weiterstudieren: Dies bietet eine perfekte Mischung aus dem Erwerb von akademischer Expertise und Berufserfahrung gleichzeitig. Falls man später noch promovieren will, kann es allerdings sein, dass man von manchen Unis abgelehnt wird, da sie Vorbehalte gegen den dualen Abschluss haben, in der Hinsicht, dass die akademische Ausbildung nicht umfangreich genug war. Umgekehrt hat man dann aber schon Kontakte in die Industrie und erhöht dadurch die Chancen auf einen Promotion in Kooperation zwischen einem Industriepartner und einer Universität. Man muss einfach die Augen offenhalten und die für sich richtigen Unis bzw. Industriepartner ansprechen und vielleicht zu einem Umzug bereit sein.
- Wenn man sich noch unsicher ist, in welche Richtung genau man sich spezialisieren will, sucht man sich einen Masterstudiengang, der eher ein breites Wissensangebot liefert, damit man noch weiter eine größere Auswahl an Themen, mit denen man sich beschäftigt, zur Verfügung hat. Durch Werkstudierendenjobs in der Pharma- und Biotechbranche, durch Nebenjobs in fachfremden Bereichen, durch die Mitarbeit bei einer Studierendeninitiative oder durch außeruniversitäre Fortbildungen kann man dann noch weitere Erfahrungen sammeln, die dann auch bei der Willensbildung helfen.
- Es ist immer von Vorteil, die Bachelor- und auch die Masterarbeit in Kooperation mit einem Unternehmen zu verfassen. In diesem Fall bekommt man die Industrieerfahrung gleich gratis mit dazu bzw. erhält mit etwas Glück im Rahmen eines Praktikums- oder Werkstudierendenvertrages sogar noch eine kleine Vergütung.
Welche Optionen habe ich mit dem Master?
- Einstieg in die Industrie: Es gibt kein festgelegtes Set an Positionen, die für Masterabsolventen reserviert sind. Manchmal haben es Master ein bisschen schwer beim Einstieg: Viele Unternehmen halten Masteranden für überqualifiziert, wenn es um Labormitarbeiterstellen geht, aber für Wissenschaftlerstellen sind dann unterqualifiziert. Da bedeutet aber einfach, dass man ein paar Bewerbungen mehr schreiben muss, wenn man gern ins Laborumfeld bzw. R&D möchte. Ansonsten stehen einem eine Vielzahl von Jobs entlang der Wertschöpfungskette der Medikamenten, Diagnostika- und Geräteentwicklung offen. Mit dem Master kann man sowohl eine Fach- als auch eine Führungslaufbahn einschlagen, wobei bitte zu bedenken ist, dass man nicht mit einer Führungsposition startet. Zunächst muss man erstmal Berufserfahrung und Fachexpertise in der Welt der Industrie sammeln.
- Promovieren ja oder nein: Viele Masteranden quälen sich mit der Frage, ob sie promovieren sollen und welchen Einfluss das auf ihre Berufslaufbahn hat. Meine Ansicht dazu ist die folgende: Wenn man einen regelrechten Drang hat sich weiter und intensiv mit wissenschaftlicher Forschung und Laborarbeit zu beschäftigen, wenn man also wirklich eine intrinsische Motivation für das Thema oder die Methode hat, dann sollte man forschen und entwickeln und am Ende wird man sogar mit dem Doktortitel belohnt. Hat man aber eigentlich nur so mäßig Interesse und die Hauptmotivation für das Promovieren ist, dass man sich bessere Karrierechancen damit ausrechnet, dann sollte man es auf keinen Fall tun. Es handelt sich um 3-6 Jahre, die man mit dem Thema, den Methoden und dem Institut verbringt, meist auch nur mit einer 50% Stelle also eingeschränktem Gehalt. Das ist einfach eine zu lange Zeit des Lebens, um es nur zu tun, weil man denkt, dass es im Lebenslauf gut aussieht. In derselben Zeit kann man auch mit seinem Master in der Industrie Fuß fassen und schon an seiner Fach- und Führungslaufbahn arbeiten. Auch wenn das Einstiegsgehalt als Master häufig noch überschaubar ist, hat man in den 3-6 Jahren aber auch schon die ersten beiden Gehaltssprünge gemacht. Hinzu kommt noch, dass manche Unternehmen ja durchaus auch kritisch gegenüber Promovierten eingestellt sind, erst recht, wenn diese schon über 30 und noch ohne jegliche Industrieerfahrung sind. Andererseits gibt es Unternehmen, die bevorzugt Promovierte einstellen und auch dies als Voraussetzung für eine Führungslaufbahn sehen. Aber das ist ja das Wundervolle: Es gibt kein „one size fits all“, man findet seinen Einstieg, ob mit oder ohne Promotion, manchmal muss man vielleicht ein bisschen länger suchen und die eigene Ansprüche an Einstiegsjob und -gehalt überprüfen, aber früher oder später findet man das Unternehmen, mit dem gut man zusammenpasst.
- Promovieren ja: Wie eben schon erwähnt, bemängeln Unternehmen häufig die fehlenden betriebswirtschaftlichen und industrieaffinen Kenntnissen bei Promotionsabsolventen. Sollte man sich für die Promotion entscheiden, kann man sich für den späteren Industrieeinstieg schon frühzeitig ein paar Vorteile verschaffen, indem man sich für ein translationales und anwendungsbezogenes Forschungsthema entscheidet. Anwendungsbezogene Themen bekommt man häufig, wenn man an KITs, Max-Planck-Instituten, am Forschungszentrum Jülich, an einer Uniklinik oder in Kooperation mit einem Unternehmen promoviert. Darüber hinaus sollte man am Institu gezielt Aufgaben übernehmen, die einem Kontakte zur Industrie ermöglichen (z.B. sich um den Einkauf oder die Wartungsverträge die Geräte kümmern). Darüber hinaus gilt auch hier wieder bildet Euch neben der wissenschaftlichen Arbeit zu Industrierelevanten Themen wie GMP und BWL weiter.
Welche Optionen habe ich mit dem PhD?
- Postdoc: Wenn man einen Postdoc machen will, aber das Ziel hat, danach in die Industrie zu gehen, gilt ähnliches wie für die Promotion. Man sollte eine translationale und anwendungsbezogene Fragestellungen wählen, Kooperationen zur Industrie herstellen, in internationalen Arbetisgruppen arbeiten und sich parallel zu GMP- und BWL-Themen weiter. Man sollte nicht zu lange mit dem Übertritt in die Industrie warten.
- Industrie: Im vorherigen Abschnitt wurde ja schon viel darüber gesprochen, was man während der Promotion tun kann, um sich schon frühzeitig auf den Industrieeinstieg vorzubereiten. Wenn man sich Zeit während seiner Promotion rein auf die akademische Arbeit konzentriert hat, ist das aber auch kein Beinbruch. Dann sollte man sich einfach so schnell wie möglich in außeruniversitären Fortbildungen zu Themen wie Quality (GMP), Regulatory Affairs, Klinische Studien, Projektmanagement und BWL fortbilden. In diesen Fortbildungen bekommt man dann auch einen Eindruck, welche Position in der Industrie zu einem passen könnte. Sollte man im Anschluss an die Promotion arbeitslos geworden sein, kann man sogar bei der Agentur für Arbeit einen sogenannten Bildungsgutscheinen beantragen und bekommt mit etwas Glück die Fortbildungen dann sogar bezahlt.
- Familienzeit: Oft ist man bei Abschluss der Promotion schon über 30 und die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für die Gründung der Familie stellt sich immer lauter. Da dies ein sehr komplexes Thema ist und der Platz heute begrenzt, widmen wir die nächste Folge dem Thema Vereinbarung von Familienplanung und Karriere.
Take-Home-Message
- Ich empfehle eine sinnvolle Balance zwischen freiem Explorieren und Planen. Das Studium ist auch dazu da, sich eine breite Wissensgrundlage anzueignen und sich auszuprobieren. Nach und nach findet man dann heraus, welche Themen einen besonders interessierten und auf diese spezialisiert man sich dann gezielt.
- Da man es nie allen recht machen kann, gibt es auch nicht den einen perfekten Studien- und Lebenslauf, an den man sich einfach nur halten muss und alle bieten einem dann die Jobs an. Deshalb: Wenn man für ein Thema brennt, dann „go for it“. Durch die hohe intrinsische Motivation für das Thema wird man eine Menge lernen und auch gut darin sein. Selbst wenn es sich nicht um das industrieaffinste Thema handelt, eignet man sich genügend Wissen an, das man später transferieren kann. Fehlendes industrieaffines Wissen, kann man sich dann über außeruniversitäre Fortbildungen noch aneignen.
- Keine Panik, wenn man vieles zwar interessant findet, aber kein Thema oder Purpose findet, für das oder den man brennt. Prima, wahrscheinlich ist man dann Generalist und kultiviert dies, indem man sich besonders breit bildet und gut darin wird, Zusammenhänge zwischen verschiedenen Bereichen herzustellen.
- Und nun der ultimative Tipp: Antizipieren ist nicht dasselbe wie selbst erleben, deshalb: Ran an die Nebenjobs, Praktika, Studierendeninitiativen, Doktorandenkolloquien, Auslandssemester und außeruniversitären Kurse. Es macht unheimlich Spaß zu lernen, sich auszuprobieren und Selbstwirksamkeit zu spüren – und ganz nebenbei qualifiziert man sich damit auch für seinen Traumjob weiter.