Interview: „Wie wird man Patentanwalt oder Patentanwältin?“
Morna: Max, Du bist als Patentanwalt ein wichtiger Sparringspartner für zahlreiche Start-ups und Unternehmen aus der Tech- und Life Science-Branche. In den Kursen der HOX-Akademie treffe ich immer wieder Teilnehmende – meist Absolvent*innen der Naturwissenschaften –, die mich fragen: Wie wird man eigentlich Patentanwalt oder Patentanwältin, wenn man aus der Forschung kommt? Kannst du uns den Weg dorthin genauer erläutern?
Max: Das ist tatsächlich ein spannender Weg, den viele gar nicht auf dem Schirm haben. Als Naturwissenschaftler*in oder Ingenieur*in hat man die ideale Grundlage für den Beruf des Patentanwalts. Es beginnt alles mit einem Studium – typischerweise in Fächern wie Biologie, Chemie, Physik, Maschinenbau oder Informatik. Nach dem Studium ist ein Jahr praktische technische Tätigkeit nötig. Das kann durch eine Promotion, durch Berufserfahrung oder teilweise auch Praktika während des Studiums abgedeckt werden.
Danach startet die sogenannte praktische Ausbildung, meist in einer Kanzlei oder einer Patentabteilung. Die Ausbildung läuft etwa drei Jahre und besteht aus zwei Teilen: Einer Ausbildung bei einem erfahrenen Patentanwalt und dem sogenannten „Amtsjahr“, während dem man Stationen beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) und beim Bundespatentgericht absolviert.
Wichtig ist außerdem die juristische Zusatzausbildung: Parallel zur Praxis machen wir ein zweijähriges Fernstudium „Recht für Patentanwältinnen und Patentanwälte“ an der FernUni Hagen. Das ist Pflicht, um alle nötigen rechtlichen Grundlagen zu lernen.
Am Ende steht die staatliche Patentanwaltsprüfung beim DPMA. Wer möchte, kann später noch die europäische Prüfung zum „European Patent Attorney (EPA)“ ablegen – dann darf man Mandanten auch vor dem Europäischen Patentamt vertreten.
Morna: Das klingt wirklich umfassend. Gibt es auch Alternativen für Quereinsteiger?
Max: Ja, es gibt einen parallelen Weg: Wer mindestens acht bis zehn Jahre als Patentsachbearbeiter arbeitet und dabei eine große Zahl an Patentakten bearbeitet hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls die Prüfung ablegen – das betrifft aber eher Leute, die schon sehr lange in Patentabteilungen tätig sind.
Morna: Max, Du bist jetzt schon einige Jahre als Patentanwalt tätig und auch Partner in der Kanzlei WSL Patentanwälte. Was macht Dir an deinem Beruf eigentlich am meisten Spaß?
Max: Für mich ist es ganz klar die unglaubliche Vielfalt und die Nähe zur Innovation, die diesen Beruf so besonders machen. Ich arbeite täglich mit neuen Technologien, kreativen Köpfen und spannenden Geschäftsmodellen – kein Fall gleicht dem anderen. Besonders reizvoll finde ich dabei die Schnittstelle zwischen Naturwissenschaft und Recht: Ich kann mein technisches Verständnis gezielt einbringen und gleichzeitig dazu beitragen, dass aus einer vielversprechenden Idee ein rechtlich abgesichertes und wirtschaftlich verwertbares Asset wird.
Als promovierter Chemiker und Patentanwalt habe ich zudem einen sehr engen Bezug zu Innovationen in der Life Science- und Technologiebranche. Ich kenne die Potenziale und Herausforderungen noch aus meiner eigenen Forschungserfahrung. Deshalb weiß ich, wie wichtig es ist, bahnbrechende Entwicklungen nicht nur wissenschaftlich zu verstehen, sondern auch strategisch und rechtlich optimal abzusichern. Gerade in diesen Bereichen, in denen die technischen Details sehr komplex sein können, kommt es darauf an, Innovationen präzise zu erfassen und stimmig zu schützen.
Und was ich besonders schätze: die Zusammenarbeit mit Start-ups und Gründer:innen. Ihre Energie, ihr Mut und Gestaltungswille sind ansteckend. Es motiviert mich enorm, wenn ich sehe, wie meine Arbeit direkt dazu beiträgt, dass ihre Ideen den Sprung in den Markt schaffen – geschützt und zukunftsfähig aufgestellt.
Morna: Musst Du als Patentanwalt eigentlich auch betriebswirtschaftliche und Marktkenntnisse mitbringen?
Max: Unbedingt. Die Arbeit als Patentanwalt erfordert heute weit mehr als nur juristisches und technisches Know-how. Gerade bei der Begleitung von Start-ups ist es enorm wichtig, die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Marktmechanismen zu verstehen. Schließlich geht es nicht nur darum, Patente zu schreiben – sondern auch darum, wie diese Schutzrechte in das Geschäftsmodell passen, die Marktposition stärken und den Unternehmenswert steigern können. Häufig erwarten Investoren und Gründer*innen, dass ich einschätzen kann, ob und wie sich eine Innovation am Markt durchsetzt und wo die wirtschaftlichen Potenziale und Risiken liegen. Dieses Verständnis hilft dabei, eine passgenaue IP-Strategie zu entwickeln und gemeinsam mit den Gründerinnen tragfähige Entscheidungen zu treffen.
Morna: Unterstützt Du die Start-ups denn auch beim Pitch vor Investoren?
Max: Ja, sehr häufig sogar. Patente und andere Schutzrechte spielen im Pitch eine zentrale Rolle, weil sie für Investoren ein entscheidender Beleg dafür sind, dass die Innovation abgesichert ist und ein echter Wettbewerbsvorteil besteht. Als Patentanwalt helfe ich Start-ups, ihre Schutzrechte im Pitch-Deck und in der Kommunikation mit Investoren optimal darzustellen. Wir erarbeiten gemeinsam, welche Aspekte besonders herausgestellt werden sollten – etwa die Patentstrategie, bestehende Schutzrechte oder die potenzielle Exklusivität am Markt. Deshalb ist mein Input bei der Vorbereitung und Darstellung von IP ein echter Mehrwert, um bei Investoren zu punkten und die nächste Finanzierungsrunde zu sichern. Oft begleite ich Mandant*inne auch zu Verhandlungen mit Investor*innen.
Morna: Welche Eigenschaften oder Interessen sollte man denn für den Beruf des Patentanwalts mitbringen?
Max: Die Grundlage ist natürlich ein naturwissenschaftliches oder technisches Studium. Darüber hinaus sind vor allem analytisches Denken, Genauigkeit, Ausdauer und die Bereitschaft gefragt, sich rechtlich und juristisch kontinuierlich fortzubilden – etwa in Bereichen wie Patentrecht, Markenrecht, Lizenzierung oder Verfahrensrecht.
Man sollte sich für technische oder naturwissenschaftliche Zusammenhänge begeistern, strukturiert arbeiten und Interesse daran haben, gesetzliche Rahmenbedingungen zu verstehen und gezielt anzuwenden. Wer zudem Freude daran hat, innovative Entwicklungen verständlich zu beschreiben und sie strategisch in Schutzrechte zu überführen, findet im Patentrecht ein spannendes und sinnstiftendes Berufsfeld – mit starkem Zukunftspotenzial, gerade an der Schnittstelle zwischen Forschung, Wirtschaft und Recht.
Morna: Vielen Dank, Max – deine Einblicke zeigen eindrucksvoll, welche spannenden Entwicklungsmöglichkeiten das Patentrecht bietet. Gerade für die Teilnehmenden unserer HOX-Akademie ist das ein wertvoller Impuls, um neue Karrierewege abseits der klassischen Forschung zu entdecken.